1933 bis 1945

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Die Besetzung am 14. März 1933

Das Bild zeigt das ausgebrannte Lehrgebäude. Vor dem Durchzug von amerikanischen Truppen am 1. April 1945 im Pfieffetal wurden Teile der Walkemühle von Nazis in Brand gesteckt.[1]

An diesem Tag besetzten Polizei und SA die Walkemühle. Der Landrat von Melsungen berichtete ausführlich am gleichen Tage an den Regierungspräsidenten in Kassel und empfahl u.a. dass die Genehmigung zur Aufnahme von grundschulpflichtigen Kindern in der Anstalt wieder zurückgezogen wird, da zweifellos feststeht, dass

die geistige Beeinflussung und Erziehung in der Walkemühle im scharfen Gegensatz zu deutschen und christlichen Grundsätzen steht. […] Denn wenn auch die in der Bevölkerung umgehenden Gerüchte über Waffenlager in der Walkemühle, Treffpunkt auswärtiger Kommunisten u.ä. nach dem Ergebnis zweimaliger sorgfältiger Haussuchungen nicht zutreffend sind, so bildet die Walkemühle doch einen sehr unerwünschten Unruheherd.[2]

Im Melsunger Tageblatt vom 15. März 1933 heißt es:

Die Walkemühle durchsucht und besetzt!
Gestern vormittag erschien in dem Erziehungsheim Walkemühle bei Adelshausen, in dem man in nationalen Kreisen schon lange eine kommunistische Brutstätte vermutet, eine Abteilung staatlicher Polizei, die mit Unterstützung von Hilfspolizei und einem Kommando SA. die Anstalt besetzte. Es wurde eine eingehende Durchsuchung der einzelnen Räume vor genommen, wobei mehrere Aktenstücke beschlagnahmt wurden. Die Prüfung des Materials muß erst das Nähere ergeben.
Auch nach der Durchsuchung blieb die Walkemühle von einem Kommando SA. besetzt, das am Abend auf Anordnung der Regierung noch weiter verstärkt worden ist. Die Entscheidung des Kultusministers Rust über die Schließung der Schule ist angefordert worden und baldigst zu erwarten. Man erwartet allgemein, daß die Entscheidung der Regierung so ausfällt daß die Walkemühle für staatliche Jugenderziehungszwecke beschlagnahmt wird.[3]

Ein paar Tage später, am 18. März, berichtet das Melsunger Tageblatt:

Zu der Schließung des Erziehungsheims Walkemühle.
Wie wir erfahren, hat die Regierung, die dem Lehrpersonal der Walkemühle vor Jahren erteilte Erlaubnis, an schulpflichtige Kinder Schulunterricht zu erteilen, gestern wieder zurückgezogen. Die Maßnahme ist unverzüglich an Ort und Stelle durchgeführt worden. Die 21 Kinder der Anstalt sind sofort der Volksschule in Adelshausen zugewiesen worden; sie nehmen von Montag ab dort am Unterricht teil. Die Besetzung der Walkemühle, auf der die Hakenkreuzfahne weht, wird weiterhin aufrechterhalten.[4]

Im Handbuch des Kreises Melsungen 1934 liest sich das dann so:

Schon lange war es bekannt, daß das internationale Erziehungsheim Walkemühle bei Adelshausen eine kommunistische Brutstätte bildete. Am 14. März erschien staatliche Polizei vor dem Heim, die die Schule mit Unterstützung von Hilfspolizei und SA. besetzte. Die einzelnen Räume der Anstalt wurden durchsucht und mehrere Aktenstücke beschlagnahmt. Nach der Durchsuchung blieb die Walkemühle besetzt. Sie dient jetzt [d.h. 1934] der NSDAP. als politische Führerschule. Die Geschäftsstelle der SA. Standarte 173 wurde in der Walkemühle untergebracht. Die zahlreichen Räume boten in den ersten Wochen nach der nationalen Erhebung auch Unterkunftsmöglichkeit für politische Schutzhäftlinge, die zu ihrer eigenen Sicherheit gegen die Volkswut hier in Haft genommen wurden.[5]

Minna Specht erinnerte sich 1944 folgendermaßen:

An einem Morgen im März 1933 ergriffen die Nazis von der Walkemühle Besitz. Als ich in das Zimmer zurückkehrte, von dem aus die Kinder die ungewöhnlichen Vorgänge – Uniformen, Waffen, Kommandos – beobachtet hatten, wurde ich von ihnen mit der bangen Frage empfangen: «Wohin gehen wir nun?» In dieser mißlichen Lage schossen mir verschiedene Möglichkeiten durch den Kopf, und ich sagte dann: «Ich will versuchen, in Dänemark ein neues Heim zu finden.» Mir schwebte ein unklares, aber hoffnungsvolles Bild von einem friedlichen, einfachen Land vor. Die Art, wie die Augen der Kinder aufleuchteten, gab mir das Gefühl, ihnen gegenüber im Wort zu stehen und sie nicht enttäuschen zu dürfen. [6] [7] [8]

Die 22 Kinder wurden daraufhin vorsorglich zu ihren Eltern zurückgebracht. Im Herbst 1933 begann mit zehn der Kinder unter Obhut von Minna Specht, Mary Saran, Liselotte Wettig und später auch Gustav Heckmann ein Sozialistischer Schulversuch im dänischen Exil 1933-1938. [9]
Die Kasseler Post berichtete am 1. Juli 1933 Das Rüstzeug zum Führer bietet die Amtswalterschule in der Walkemühle. Die Zeitung lobte die auf das beste eingerichteten Räume und bemerkte dann

eine Bibliothek, die mit 5000 Bänden ausgestattet ist. Viel zersetzendes Material, aber auch wertvolle Bücher sind da zu finden. [10]
Zur Zeit sind in der Walkemühle noch einige Melsunger Schutzhäftlinge untergebracht. Nach ihrer Aussage haben sie über die Unterbringung und Verpflegung nicht zu klagen. Welcher Geist in dieser kommunistischen Schule herrschte, beweist die Aussage eines neunjährigen Jungen, der Standartenführer Wagner auf eine religiöse Frage antwortete, daß Gottesglaube ein Märchen und Irrwahn der Menschheit sei. […] Sämtliche Amtswalter des Gaues müssen an den Schulungskursen teilnehmen, ausgenommen die Kreisleiter und Kreisschulungsleiter, die die neugegründete Reichsführerschule in Bernau besuchen.

Dazu weitere Texte.


Die Gauführerschule

Über die Walkemühle in der die Nazizeit gibt es nur wenige, leicht zugängliche Berichte: Thomas Schattner schrieb 2008 in der Schwalm-Eder Ausgabe der Hessisch-Niedersächsischen-Allgemeinen unter der Hauptüberschrift Vor 75 Jahren: Nazis eröffneten Funktionärsschule samt Folterkeller bei Melsungen. zwei Artikel: Jeden Morgen gab es Prügel. Im Keller der Mühle wurden Häftlinge gequält. und Kaderschmiede in der Mühle. Ab 1. Juli 1933 schulten die Nazis ihre Funktionäre in der Walkemühle bei Melsungen.

Misshandlungen von politischen Gefangenen durch Nazis in Walkemühle werden u.a. erwähnt in dem Buch Das Konzentrationslager Breitenau: ein staatliches Schutzhaftlager 1933/34 von Dietfrid Krause-Vilmar. Dieter Hoppe von der Stolperstein-Initiative Melsungen hatte (zeitweilig) eine Seite Die Schutzhaftgefangenen des Konzentrationslagers Breitenau 1933/1934 mit Hinweisen zur Walkemühle zusammengestellt.

Jechiel Ogdan und Dieter Vaupel berichten von Folterungen in der Walkemühle an Bewohnern aus Spangenberg in dem Buch: «Sie werden immer weniger!» Die Geschichte der jüdischen Gemeinde Spangenberg.[11]

Die Enteignung 1934 und etliche Folgen

Am 23. Mai 1934 wurde die Philosophisch-politische Akademie (PPA) als Eigentümerin der Walkemühle zu Gunsten des Preußischen Staates enteignet. Das Nutzungsrecht wurde der NSDAP übertragen. Der Preußische Staat wurde auch Eigentümer der wertvollen, ca. 4500 Bücher umfassenden Bibliothek. Sie wurde als Leihgabe der Landesbibliothek in Kassel zur

pfleglichen Aufbewahrung als eine geschlossene Bibliothek überlassen, die zur geeigneten wissenschaftlichen Verwertung zugänglich sein soll.[12]

Das Wiedergutmachungs- bzw. Entschädigungsverfahren der PPA bzgl. der Walkemühle und insbesondere bzgl. der Bibliothek zog sich bis in die 1960-iger Jahre hin: Per Kabinettsbeschluss der Hessischen Landesregierung erhielt die PPA 20.000 DM Entschädigung. Ein letzter Bescheid der Oberfinanzdirektion Frankfurt erging schließlich am 7. Januar 1965.[13]

Die Gauführerschule Walkemühle diente unterschiedlichsten Zwecken der NSDAP und ihrer angeschlossenen Organisationen; z.B. als Lehrerlager oder für Tagungen des Hessischen Geschichtsvereins. Während des Zweiten Weltkrieges fanden Wehrertüchtigungslehrgänge der Hitler-Jugend in der Walkemühle statt.[14]

Im Oktober 1935 beantragte der Leiter der Gauführerschule, Standartenführer Wagner, beim Landrat von Melsungen die „Umbettung“ der Gräber von Leonard und Heinrich Nelson sowie des Helfers Erich Graupe vom Gelände der Walkemühle, da

für die Gauführerschule und die Lehrgangsteilnehmer der dauernde Anblick dieser Gräber staatsfeindlicher, nichtarischer Toter unerträglich sei [15] [16]

Im Verzeichnis der Gräber des Jüdischen Friedhofs von Melsungen sind 1938 die Gräber von Heinrich und Leonard Nelson notiert. Die Urne von Erich Graupe wurde 1945 im Schutt auf dem Friedhof von Adelshausen gefunden und später auf den Friedhof nach Melsungen überführt.

Foto vom 12. 10. 2015 aus Privatbesitz.

Die Grabsteine für Leonard und Heinrich Nelson sowie das Grab für Erich Graupe auf einem umfriedeten Areal des Jüdischen Friedhof in Melsungen.[17]

Die Gauführerschule wird Gauschulungsburg

Gemäß einer Anordnung der Reichsleitung der NSDAP. von 1937 durfte kein Politischer Leiter das Wort „Führer“ auch nicht in Verbindung mit einem andern Wort für sich verwenden.[18]

Aus ähnlichem Grunde fand sich dann auch statt der bisherigen Bezeichnung Gauführerschule Walkemühle die neue Formulierung Gauschulungsburg, so z.B. in den Titeln der Veranstaltungen Die Vorgeschichtstagung am 10./11. Dezember 1938 auf der Gauschulungsburg Walkemühle.[19] bzw. Bericht über die volkskundliche Tagung am 17./18. Dezember 1938 auf der Gauschulungsburg Walkemühle.[20]
Siehe dazu Weiteres.


Die Zerstörung am 1. April 1945

Am 31. März 1945 (Ostersonnabend) entdeckte die auf Kassel vorrückende 6. US Panzerdivision[21] bei Malsfeld, ca. 30 km südlich von Kassel, eine nur wenig beschädigte map23.gif beschädigte Straßenbrücke über die Fulda. Die Brücke konnte innerhalb von zwölf Stunden repariert werden.[22]

Die Reparaturarbeiten sind zu sehen in den ersten 2 min 44 sec in einem Film,

den das Hessische Fernsehen im Rahmen einer / Sendereihe 1945+Ich – 75 Jahre Frieden in Hessen /75-jahre-kriegsende-hessen/1945--ich-alle-beitraege-im-ueberblick,75-jahre-alle-beitraege-ueberblick-100.html / ins Netz gestellt hat.

Die Fuldabrücken im benachbarten / Melsungen waren von der sich zurückziehenden Wehrmacht gesprengt worden.[23] Im benachbarten ost-westlich verlaufenden verlaufenden / Pfieffetal liegt die Walkemühle vor dem Dorf / Adelshausen.

Am 1. April ging es

gut voran bis nach Adelshausen, wo feindliche Infantrie mit Panzerfäusten den Vormarsch verlangsamte. Dieser Widerstand wurde sehr schnell überwunden und die Kolonne stieß bis an den westlichen Rand von Spangenberg vor.[24]

Die / 6. US Panzerdivision war im Juni 1944 in der Normandie gelandet und erreichte im April 1945 die / Saale. Ab dem 1. April überquerten große Truppenteile die Fulda bei Malsfeld. Am 2. April wurden die Einheiten bombardiert und gerieten in Tieffliegerbeschuss durch die Luftwaffe.

Es war tatsächlich der stärkste feindliche Luftangriff in der Geschichte der Division.[25]

Nach mündlichen, deutschen Berichten steckten Hitlerjungen die westlichen Teile der Walkemühle in Brand, insbesondere das Lehrgebäude und die alte Mühle. Dies geschah in der Absicht den Vormarsch der Amerikaner damit „aufzuhalten“ und entsprach dem „Geist“ des sog. Nerobefehls Hitlers.

Zum weiteren Vergleich zuerst ein Foto vom Juni 1935:

Foto Juni 1935, Privatbesitz.

In der Mitte des Bildes ist der damals neu gebaute Verbindungstrakt erkennbar.[26]

Der Vormarsch der amerikanischen Soldaten am 1. April 1945 (Ostersonntag) und die brennende Walkemühle sind zu sehen in dem schon eben erwähnten Film ab 2.44 min. Das Hessische Fernsehen stellte dankenswerter Weise einen Ausschnitt des Filmes zur Verfügung, der hier angesehen werden kann.

Video: Walkemühle 1. April 1945 (Kein Originalton)

[27]

Jetzt zwei Einzelbilder aus dem Film:

75JFiH04c.jpg

Vorrückender amerikanischer Soldat vor der abgebrannten Walkemühle am 1. April 1945 (Ostersonntag).

75JFiHKassel05c.jpg

Amerikanische Soldaten vor den qualmenden Trümmern der Walkemühle am 1. April1945.

Die schöne große Linde in der Mitte des Hofes der Walkemühle hat den Brand überstanden, wie auf einem Bild vom Juli 1945 hinter der Ruine des Lehrgebäudes erkennbar ist:

Foto Juli 1945 aus Privatbesitz.

Weitere Fotos der Ruine sind hier zu sehen.


Das Akademiegebäude erhielt einige Artillerietreffer durch amerikanische Panzer. Das Dach, der Bibliothekssaal und ein großes Zimmer wurden stark beschädigt.

Foto Juli 1945, Privatbesitz.

Auf einem Bild vom Juli 1945 ein wieder zugemauertes Einschussloch an der Längsseite des Akademiegebäudes zu sehen.[28]

Hinweise

Hinweise zu



Einzelnachweise

  1. Foto: Nachlass Schaper; auch UB Kassel und Archiv der sozialen Demokratie: 6/FOTA030348.
  2. HStAM, 180 Melsungen, 2405.
  3. Melsunger Tageblatt, Mittwoch, 15. März 1933, 2. Blatt, Nr 63; Neues aus Stadt und Kreis. UB Kassel 38 ZA 2211.
  4. Melsunger Tageblatt, Mittwoch, 18. März 1933, 2. Blatt, Nr 66; Neues aus Stadt und Kreis. UB Kassel 38 ZA 2211.
  5. Kreis Melsungen [Hrsg.]
  6. Specht in Feidel-Mertz 1983.
  7. Nielsen
  8. Hansen-Schaberg, 1992, S. 69, F. 248.
  9. Nielsen
  10. HStAM 180 Melsungen 3729 Blatt 71.
  11. Ogdan
  12. HStAM 180 Melsungen 3729, Blatt 232.
  13. HHStAW 518 4511, Blatt 64-66.
  14. Krause-Vilmar, S. 238.
  15. Giesselmann, S. 99 ff.
  16. HStAM, 180 Melsungen 3729, Blatt 265.
  17. Foto Ralf Schaper, 12. 10. 2015.
  18. Kurhessische Erzieher, 81, 1937, S. 567.
  19. Kurhessische Erzieher, 83, 1939, S. 10 ff.
  20. Kurhessische Erzieher, 83, 1939, S. 58 ff.
  21. 6th Armored Division
  22. Eine Beschreibung und ein Foto: siehe Hofmann, p. 376, 377.
  23. Krause-Vilmar, S. 238.
  24. Unit History Combat Command B 6th Armored Division. Headquarters Combat Command “B“, APO256, US Army. April 1945, 1.
    http://www.super6th.org/CCB/ccb_history.pdf (13 MB)
    Good progress was made until reaching ADELSHAUSEN where enemy infantry with bazookas slowed down the forward elements. The resistance was reduced very quickly and the column proceeded to the west edge of SPANGENBERG ...
  25. Hofmann, p. 377: ... In fact, the day was marked by the heaviest enemy air activity in the history oft the division. ...
  26. Foto Nachlass Schaper.
  27. Das Filmmaterial fand das HR-Fernsehen im US-amerikanischen / Army Pictorial Center. Die zugehörige Katalogkarte 111ADC 3781-1 verzeichnet nur: 6TH ARMORED DRIVE INTO GERMANY near Kassel, Germany. 1 April 1945. Die im gezeigten Filmausschnitt zu sehenden Sequenzen sind auf der Karte beschrieben mit:
    LSs, soldiers taking cover by side of road. Smoke rising in bg.
    LS, soldiers get up and move fwd.
    VS, soldiers and vehicles moving into burning village.

    Angesichts dieser geringen Angaben betitelte der HR den Film mit „Umgebung von Kassel“.
  28. Foto Nachlass Schaper.